"Wo ich Emotion sp�re, sollte ich skeptisch sein" - Interview mit Ingrid Brodnig zu Fake News und Hass im Netz

Autorin Ingrid Brodnig ist Expertin f�r die gesellschaftlichen Auswirkungen von Digitalisierung. Im Interview spricht sie �ber Fake News und Hass im Netz.

Mann und Frau im Gespräch

H�ren Sie das Interview in voller L�nge im Podcast der Stadt Wien.

Pauschal gefragt: Was macht Fake News so gef�hrlich?

Ingrid Brodnig: Desinformation vergr��ert den Graben in unserer Gesellschaft. Etwa bei emotionalen Themen wie dem Klimawandel: Da gibt es die Diskussion, ob man sich ein E-Auto anschaffen sollte - und viele Falschmeldungen �ber E-Autos. Wenn ich ein Fan solcher Autos bin, werde ich nicht darauf reinfallen. Aber wenn ich skeptisch bin, wird die Skepsis gen�hrt. Am Ende regen sich alle auf - die einen, weil sie die Falschmeldung glauben, die anderen, weil die Falschmeldung existiert. Es wird schwierig, �ber das Thema zu sprechen, wenn man keine gemeinsame Realit�t hat. Die zweite gro�e Gefahr ist, dass Gewalt beg�nstigt werden kann. Ich denke zum Beispiel an die Ausschreitungen in Gro�britannien, nach einer furchtbaren Messerattacke, bei der 3 M�dchen get�tet wurden. Die Wut wurde auch durch Falschmeldungen entfacht, dass es sich beim T�ter um einen Fl�chtling handeln w�rde.

Wer setzt Fake News in die Welt und wem n�tzen sie?

Ingrid Brodnig: Das erste Motiv ist politische Stimmungsmache. Wir haben oft Falschmeldungen �ber Politiker*innen. Da ist davon auszugehen, dass Personen aus einem anderen Lager diese Person ver�chtlich machen wollen. Nicht, um deren Fans zu verunsichern - sondern um die Skeptiker*innen zu best�tigen. Da kann es auch darum gehen, die Leute w�tend �ber die andere Seite zu machen, damit sie zur Wahl gehen. Motiv Nummer 2: Geld. Oft wird die Angst vor Krankheiten, Impfungen, Blackouts usw. durch Falschmeldungen gen�hrt - um dann �ber einen Link vermeintliche Gegenmittel zum Kauf anzubieten. Und das dritte: manche Menschen - sogenannte Trolle - wollen andere einfach nur reinlegen, weil sie das lustig finden.

Nicht alle Falschmeldungen spielen sich in Sozialen Medien ab. Wie sollen Mediennutzer �berhaupt zwischen wahr und unwahr unterscheiden k�nnen?

Ingrid Brodnig: Das ist nat�rlich wichtig - Fake News beschr�nken sich nicht aufs Internet. Der springende Punkt ist: �berall, wo ich starke Emotionen sp�re, sollte ich skeptisch werden. Wir fallen leider dort rein, wo wir reinfallen wollen. Was helfen w�rde, w�re intellektuelle Demut - also f�r m�glich halten, dass man irren k�nnte oder zumindest anzuerkennen, dass man nicht auf jedem Gebiet Expertin oder Experte sein kann. Das Bewusstsein, dass man auch in die Irre geleitet werden k�nnte, kann wie ein Schutzschild gegen Falschmeldungen wirken.

Klassische Medien sollten angesichts der Informationsdichte eigentlich Orientierung geben. Aber sie werden zum Teil als Systemmedien und L�genpresse wahrgenommen. Woher kommt das Misstrauen?

Ingrid Brodnig: Zum einen machen auch klassische Medien Fehler. Und wenn Menschen das merken, kann das zu Skepsis bis zu radikaler Abkehr f�hren. Aber wenn ich mich komplett von Medien abwende, lande ich bei irgendwelchen Youtube-Kan�len, die mir die gro�e Wahrheit versprechen. Zum zweiten ist dieses Schlechtreden von Medien auch ein politisches Programm. Gerade, wenn ich nicht will, dass die Leute noch irgendeiner anderen Welterz�hlung zuh�ren - sei es unabh�ngigem Journalismus oder anderen politischen Str�mungen - sage ich: ,Alle, die anders sind als wir, sind Teil der L�genpresse oder Teil einer gro�en Verschw�rung�. Wenn sich jemand so pauschal vor jeder Kritik sch�tzt, indem alle anderen schlecht geredet werden, ist das ein Warnsignal, dass hier kein pluralistisches Weltbild verfolgt wird.

Wie kann es gelingen, Kinder f�r Fake News zu sensibilisieren?

Ingrid Brodnig: Kinder sind in vielen Dingen medienkompetenter und haben gro�e handwerkliche F�higkeiten beim Erstellen von Inhalten. Andererseits fehlen ihnen oft klassische Kompetenzen, die Eltern haben, wenn sie regelm��ig seri�se Tageszeitungen lesen - dann haben sie ein Gesp�r daf�r, wie Texte formuliert sind, wenn sie nicht ganz so effekthaschend und emotionalisierend sind. Wenn ich wei�, wie redlicher Journalismus aussieht, bemerke ich Abweichungen davon. Manchmal kann Lebenserfahrung helfen, Falschmeldungen zu entlarven. Es hilft, mit Jugendlichen, die Inhalte, die diese sehen, durchzubesprechen. Aber das wird nat�rlich nicht in jeder Familie klappen. Darum muss auch das Schulsystem vieles abfangen. Es ist gut, wenn Lehrkr�fte mitbekommen, womit sich Jugendliche auf TikTok und Co. besch�ftigen, und Falschmeldungen richtigstellen. Oft reicht schon ein kurzer Faktencheck auf Google, um die Dinge einzuordnen.

Wie soll ich reagieren, wenn ich merke, dass Menschen in meinem Umfeld auf Fake News hereinfallen?

Ingrid Brodnig: Ich w�rde immer erst einmal eruieren, wie tief die betroffene Person bereits auf die Falschmeldungen hereingefallen ist und gegebenenfalls das Gespr�ch unter 4 Augen suchen, um den Menschen nicht vor anderen blo�zustellen. Es kann aber nat�rlich sein, dass sich jemand bereits ein ganzes Weltbild aufgebaut hat und sich von jeder Seite belogen f�hlt - dann wird's deutlich schwieriger. Da kann man versuchen, mit Fragen gegenzuhalten. Zum Beispiel die Person bitten, Verschw�rungsmythen im Detail zu erkl�ren. Manchmal f�hrt das zu Unsicherheiten, wenn die Person Zusammenh�nge dann selber nicht erkl�ren kann. Das muss nichts Gro�es bewirken, aber aus vereinzeltem kleinen Zweifeln, kann ein gro�er Zweifel entstehen. Das wird nicht immer passieren. Es kann auch sein, dass sich so jemand mit seinem ganzen Freundes- und Familienkreis zerkracht und sich nur noch mit Gleichgesinnten umgibt.

Was k�nnen St�dte im Kampf gegen Desinformation und Hass im Netz beitragen?

Ingrid Brodnig: Aufkl�rung und Unterst�tzung. St�dte haben zum Beispiel �fter sehr engagierte �ffentliche B�chereien, die Medienkompetenztrainings anbieten. St�dte haben daf�r ja die geeigneten Infrastrukturen. F�r Betroffene von Mobbing im Internet gibt es zudem oft Beratungsangebote wie etwa in Wien, wo eine Hotline Auskunft gibt, welche weiteren staatlichen Stellen helfen k�nnen. Dar�ber hinaus gibt es noch die NGO Zara, die sich gegen Rassismus und jede Art der Diskriminierung einsetzt und wo man sich auch juristisch beraten lassen kann.

Weiterf�hrende Informationen

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Kommunikation und Medien
Kontaktformular